Diese Site Web
Ixquick
mainz13
| Programm
| Bericht

Internationale Jahrestagung in Mainz 2013

Sprachbilder und Bildersprache bei Meister Eckhart und in seiner Zeit

Strategien des Sprechens über das Unsagbare

Wissenschaftliche Tagung der Meister-Eckhart-Gesellschaft und des Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt (MWK) in Kooperation mit dem Erbacher Hof, Akademie der Diözese Mainz.

Zeit: Freitag, 19. April bis Sonntag, 21. April
Ort: Ehrbacher Hof , Mainz
Anmeldung: s. Flyer

In der Mystik begegnen uns Sprachbilder, ja eine ganze Bildersprache. Mystik bewegt sich an den Grenzen von sprachlicher Ausdrucksfähigkeit – und entfaltet gerade darin ihre Anziehungskraft. Das Interesse an Meister Eckhart, dessen sprachliche Faszination auch noch in den Übersetzungen in andere Sprachen erhalten bleibt, geht oft auf seine Sprachbilder zurück. Er setzt sie bewusst ein, um die scharfe Begrifflichkeit und die spekulative Kraft seines Denkens anschaulich umzusetzen und der Erfahrungswelt seiner Zuhörer und Zuhörerinnen anzupassen. So spricht er vom Echo als Widerhall einer Stimme, die man nicht hört, vom Prozess des Sehens, der Holz und Auge zusammenschließt, von der Überblendung durch das Licht, von Bildern, die sich wechselseitig spiegeln, aber nicht fixiert sind. Sein Programm ist, wie es später Heinrich Seuse ausdrücken wird, Bilder mit Bildern zu überwinden und damit einen Bereich zu öffnen, in welchem unser Vorstellungsvermögen zugleich entfaltet und überschritten wird.

Diese Thematik ist bisher nur fallweise in den Forschungen, in deren Zentrum oft Eckharts philosophisch-theologische Bildtheorie stand, behandelt worden. Die Tagung versucht, diesen Stand der wissenschaftlichen Bemühungen zu erweitern. Zugleich aber verfolgt sie die Absicht, solche Erkundungen mit den breiteren Interessen an den Sprachbildern in der europäischen Mystik zu verbinden und in diesem Sinne den Charakter einer reinen Fachtagung zu überschreiten. Dieses Vorgehen hatte sich bei der Mainzer Tagung über „Mystik, Recht und Freiheit“ (2010, erschienen bei Kohlhammer, Stuttgart 2012) bewährt.

Prof. Dr. Cora Dietl, Gießen
Prof. Dr. Dietmar Mieth, Tübingen/Erfurt
Prof. Dr. Peter Reifenberg, Mainz
Dr. Fiorella Retucci, Köln

Freitag, 19. April 2013

14.00 Begrüßung (C. Dietl, D. Mieth, P. Reifenberg, F. Retucci):

I. Bilder und Bilderbrüche in Eckharts lateinischen und deutschen Schriften

14.30 Prof. Dr. Markus Vinzent, London: Eckharts Bildsprache in seinen lateinischen Predigten

15.15 Dr. Martina Roesner, Wien: Bilder der Eigenschaftslosigkeit. Die Verwendung relationaler Metaphorik in Meister Eckharts lateinischen Schriften

16.00 Kaffeepause

16.30 Prof. Dr. Dagmar Gottschall, Salento: Dô gedâhte ich ein glîchnisse... Vergleich und Gleichnis in den deutschen Predigten Meister Eckharts

17.15 PD Dr. Stephan Grotz, Regensburg/Mainz: Wie zerbricht man Gleichnisse? Bemerkungen zur Struktur von Meister Eckharts Bildersprache

18.00 Abendessen

20.00 Prof. Dr. Alois Haas, Zürich: Meister Eckharts vünkelîn der sêle – Bild oder Begriff? (Öffentlicher Abendvortrag)


Samstag, 20. April 2013

9.00 PD Dr. Wolfgang Achtner, Gießen: Vom Bild zur Bildlosigkeit. Eckharts Bildkritik im Kontext der Gotteserkenntnis

9.45 PD Dr. Mariele Nientied, Frankfurt/O.: Sprengmetaphern bei Meister Eckhart

10.30 Kaffeepause

II. Eckharts Bildersprache und Bildtheorie im Kontext theologischer Traditionen

11.00 Dr. Regina D. Schiewer, Eichstätt: Eine Theologie des Schauens. Die ‚Himmelsschauerin‘ und das ‚Auge des Herzens‘ in voreckhardischer Mystik

11.45 Christian Fröhling, Frankfurt/M.: Wille – Vernunft – Bild. Die Verwendung von bilde (Pr. 16b) im Kontext der dominikanisch-franziskanischen Auseinandersetzung

12.30 Mittagessen

15.00 Prof. Dr. René Wetzel, Genf: mittel und anderheit. Zur Medialität des Bildes und zur Tradition der mystischen Bildkonzeption in den Engelberger Predigten

15.45 Dr. Ingrid Falque, Leiden: Mit bildgebender wise. Heinrich Seuse and the Utility of Images in Mystical Discourse

16.30 Kaffeepause

III. Eckharts Bildersprache im Spiegel der zeitgenössischen Rezeption

17.00 Dr. Ben Morgan, Oxford: The Uses of Metaphor: Munich Manuscript cgm 133

17.45 Prof. Dr. Cora Dietl, Gießen: Eckharts Sprache als ein Motiv in spätmittelalterlichen Eckhart-Legenden

18.30 Abendessen

20.00 Mitgliederversammlung der Meister-Eckhart-Gesellschaft


Sonntag, 21. April 2013

7.30 Eucharistiefeier in der Bernhard-Kapelle

8.30 Frühstück

IV. Eckharts Bildersprache im ost - westlichen Vergleich

9.30 Prof. Dr. Thomas Daiber, Gießen: Die Sprachkunst Eckharts und Gregrios' Palamas – ein struktureller Vergleich

10.05 Prof. Dr. Dietmar Mieth, Tübingen/Erfurt (Leitung): Zusammenfassung und Abschluss-Podium mit den Referent(inn)en

Die Veranstaltung endet gegen 11.00 Uhr; um 12.00 Uhr besteht die Möglichkeit zum Mittagessen vor der Abreise.

(von Dietmar Mieth)

Freitag

Moderation: Christine Büchner

14.30 Wolfgang Achtner: Trotz seiner Sprachkritik bezüglich der Unsagbarkeit Gottes war Eckhart als Sprachschöpfer ungemein produktiv. Er hat Begriffe neu geprägt und ungewöhnliche Metaphern und Bilder eingeführt. Für die Gotteserkenntnis, bzw. die Gotteserfahrung ist die bildhaft vermittelte Erkenntnis jedoch nicht ausreichend tragfähig. Wenn Eckhart selbst in diesem Kontext immer wieder Bilder verwendet (z. B. Spiegel, Siegel), nimmt er ihren hinweisenden Charakter auf, der zugleich von sich selbst weg weist. Der Vortrag leuchtete die Bandbreite der verschiedenen Kontexte aus, in denen diese Bildkritik als Erkenntnismodus eingesetzt wird. Erkenntnistheorie, aristotelischer Vernunftbegriff, apophatische Theologie und die Gottesgeburt spielen dabei ineinander. Vor dem Hintergrund ideengeschichtlicher Voraussetzungen, transkultureller Analogien und einschlägigen psychologischen Mechanismen wurde die Frage erörtert, ob und wenn ja in welchem Sinne Eckhart als Mystiker gezeichnet werden kann. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

15.15 Martina Roesner: Meister Eckhart kühne Metaphorik hat insofern einen besonderen Charakter, als sie keineswegs nur als rhetorische Ausschmückung bzw. als didaktisches Hilfsmittel zur Veranschaulichung abstrakter Sachverhalte fungiert. Vielmehr ist sie ein direkter Ausdruck seines metaphysischem Denkansatzes. Das Wesen des ungeschaffenen Intellekts besteht darin, kein konkretes „Dies oder das“, sondern bestimmungslose, reine Offenheit zu sein. Daraus ergibt sich das Paradox, dass die Gottebenbildlichkeit des Menschen gerade auf jener Dimension seines Seins beruht, die ihrem Wesen nach keinerlei Eigenschaften hat und somit schlechthin bildlos ist. Dies ist jedoch nicht als bloße Negation zu verstehen, sondern der Sinn des intelligere besteht im Erkennen und Stiften von Beziehungen innerhalb der Wirklichkeit besteht. Dementsprechend ist von den aristotelischen Kategorien neben der „Substanz“ lediglich die „Relation“ auf Gott sowie auf den menschlichen Intellekt anwendbar, nicht aber die übrigen Kategorien mit ihren einschränkenden Bestimmtheiten.
Diese Grundeinsicht ist entscheidend für die Art und Weise des Bildergebrauchs in Eckharts Werken. Mit Blick auf seine lateinischen Schriften fällt auf, dass die Vergleiche, die er im Rahmen seiner theologisch-exegetischen Darlegungen verwendet, zwar häufig dem Bereich der Natur entstammen, aber nicht so sehr einzelne Naturdinge als vielmehr deren Grundstrukturen betreffen, wie etwa die Abfolge von Blüte, Zeugung und Frucht, die Beziehung des Herzens bzw. der Seele zum Organismus als ganzem, das Verhältnis von Licht und Wärme zu ihrem Ausbreitungsmedium oder die Deutung der Schöpfung als „Übersprudeln“ einer kochenden Flüssigkeit. In all diesen Fällen betrifft die bildhafte Analogie keine einzelne, dingliche Eigenschaft, sondern gilt der jeweils zum Tragen kommenden Verhältnisbestimmung zwischen gewissen Grundprinzipien wie Materie und Form, Ursache und Wirkung, Zentrum und Peripherie. Im Vortrag wurde dieser dynamisch-relationale Charakter als „prinzipielles Sprechen“ entfaltet. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

Moderation: Loris Sturlese

16.30 Dagmar Gottschall: Der Vergleich als Stilfigur zur Erhöhung der Anschaulichkeit und Bedeutungsverdichtung eines gemeinsamen Grundgehalts zweier zu einander in Bezug gesetzter Entitäten und ihrer Eigenschaften, die sich im tertium comparationis begegnen müssen, kommt praktisch in allen Texten zum Einsatz, ganz besonders jedoch in poetischen Texten als rhetorischer Schmuck und in didaktischen Texten als bildhafte Verständnishilfe. In dieser letzten Funktion ist der Vergleich fester Bestandteil der ars predicandi und auch Eckhart macht von ihm Gebrauch. Er nennt dieses Stilmittel glîchnisse (das vieldeutige mhd. Lexem umfaßt ein weites semantisches Feld: ‘Vergleich, Gleichnis; Abbild, Ebenbild; Gleichheit, Ähnlichkeit; Beispiel’) und setzt es zur Verdeutlichung eigener und fremder Lehre ein, häufig mit der Anweisung: (des) nim ein glîchnisse. Zugleich konstatiert Eckhart jedoch in Bezug auf die Schriftauslegung: wiltu die natur bloß finden, so müssent die gleichnuß alle zerbrechen (DW II, 51). Vergleich und Gleichnis sind also Hilfskonstruktionen, die überwunden werden müssen. Die Gleichnisstruktur der biblischen Bildrede muss "zerbrechen", wobei Eckhart, wie Köbele gezeigt hat, das analogische Trennungsverfahren traditioneller Exegese auf den Punkt reduziert, an dem die Perspektive in die Einheit umbricht (S. Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit, 1993, S. 62). Man sollte also erwarten, dass Eckharts Vergleichsbilder Qualitäten aufweisen, die beim Leser diesen "Umbruchseffekt" während des intellektuellen Erkenntnisprozesses auslösen.
Der Beitrag stellte das Vergleichsrepertoire aus Eckharts deutschem Predigtwerk und mögliche Quellen vor:- es entstammt überwiegend dem Bereich der Naturphänomene, der Physik und der Optik. Ein Blick auf andere zeitgenössische Prediger zeigte die Auffälligkeit oder Unauffälligkeit Eckhartscher Vergleiche. Jeweils ist zu fragen: Inwieweit spielt das Publikum, inwieweit seine Selbstverständigung jeweils für einen Vergleich eine Rolle? [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

17.15 Stephan Grotz: Eine genauere Analyse der Sprachbilder Eckharts sollte sich nicht in einer detaillierten Bestandsaufnahme erschöpfen. Denn all diese Sprachbilder zielen auf das Unsagbare, alle Gleichnisse auf eine Instanz, die ohnegleichen ist bzw., wie Eckhart selbst sagt, die „nichts gleicht“ (z. B. DW I, 170: götlich wesen enist niht glîch). Dem Limit der Gleichnisrede begegnet Eckhart mit seiner berühmten Forderung, „alle Gleichnisse zu zerbrechen“ (DW II, 473: die gleychnuß alle zerbrechenn). Meint dies eine Rücknahme von Gleichnissen, indem Behauptungen über das absolut Unvergleichliche aufgestellt und sofort wieder revidiert werden sollen?
Der Beitrag zeigte auf, dass Eckharts Bildersprache nicht so sehr darauf abzielt, das per se Unanschauliche doch noch etwas anschaulicher zu machen. Insofern hat Eckharts Bildersprache auch keinen vergleichenden Charakter in dem herkömmlichen Sinn. Eckharts Gleichnisse vergleichen nicht so sehr (also z.B. Gott mit irgendetwas); sie sprechen vielmehr von Gleichheit, und zwar vor allem von einer Gleichheit mit Gott. Der Vortrag entfaltete besonders auf Eckharts Umgang mit biblischen Vergleichen anhand der berühmten Predigt 9 „Quasi (!) stella matutina“. Hier spielt das Wort „quasi“ gleichsam eine Leitfigur. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

Moderation: Dietmar Mieth

20.00 Alois Haas: In seinem Vortrag ging Alois Haas zunächst auf das Bild des Feuers und des Funkens in unterschiedlichen Kulturen und Religionen ein. Dabei ging es ihm vor allem historisch um die Bedeutung des Feuers in der Elementenlehre und deren Symbolfunktionen in der „Achsenzeit“ (nach ) Feuer und Funken stehen für Tiefe und positive Entfaltung aus einem Kern heraus. In der Zuspitzung auf Meister Eckharts Grundgedanken wurde von ihm eine Bündelung vieler vorhergehender begrifflicher und bildlicher Pointierungen beschrieben: in der Stoa, im Neuplatonismus, in Lehre vom aufsteigenden Intellekt. Die Alternative von Begriff und Bild ist also falsch: hinter allen Begriffen ist zugleich eine bildliche Fassung präsent, und alle Bilder sind mit begrifflichem Denken ausgestattet. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

Samstag

Moderation: Gotthard Fuchs

9.00 Markus Vinzent: Markus Vinzent hat nicht nur die einzelnen Bilder aus den lateinischen Predigten Eckharts genau gesammelt und einzeln aufgelistet, er hat sie zudem in anderen lateinischen Werken des Meisters vergleichend gesucht. Er konnte mit Beispielen aufzeigen, wie Texte missverstanden und falsch übersetzt werden können, wenn man die Bildseite nicht korrekt darstellt und analysiert. Zudem konnte er zeigen, dass die Rhythmik in Eckharts in Eckhart lateinischem Sprach-Ductus verloren geht, wenn man übersieht, dass die Worte nur in einer bestimmten Abfolge eine besondere klangliche Struktur erzeugen. Insofern zeigte der Vortrag das rhythmische Sprechen in Eckharts lateinischen Sermones auf. Offensichtlich wurden hier nicht nur Texte als inhaltliche Vorlagen entwickelt, sondern zugleich enthielten sie für den Prediger Anleitungen dazu, wie etwas elegant vorzutragen war. Damit steht die lateinische Eckhart-Philologie vor neuen Aufgaben, die ihrerseits wiederum mit den systematischen Funktionen abzugleichen sind. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

9.45 Mariele Nientied: Den Ausdruck und die Kategorie „Sprengmetapher übernahm Mariele Nientied von Hans Blumenberg. „Sprengmetaphern“ sind demnach bewegungsfähig, also nicht statisch-fixierbar, tragen die Möglichkeit einer Selbstaufhebung von Fixierungen in sich. Metaphern dieser Art stellen die Unbegrifflichkeit dessen dar, was sie durch Überdehnung des Ausdrucks zugleich zeigen und wieder zurücknehmen. Die Gleichzeitigkeit von Zeigen und Verbergen ist daher noch nicht voll erfasst, wenn man diese Sprengfunktion, die kein Nebeneinander oder Nacheinander in der Aufhebung oder Hinaufhebung (im Sinne Hegels) meint, also keine dialektische Auflösung, sondern eben eine Dauerprovokation. Die Präsenz dieser Methode bei Meister Eckhart wurde mit Beispielen belegt. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

Moderation: Rudolf Weigand

11.00 Regina D. Schiewer: Die Beispiele aus den St. Georgener Predigten, die Regina Schiewer vorlegte, zeigen, wie weit die Reichhaltigkeit metaphorischer Sprache bereits im Anfang des 13. Jahrhunderts entwickelt war. Die beiden Metaphern „Auge des Herzens“ und Himmelsschau sind klar der Kontemplation zuzuordnen, die als eine Lehre und Erfahrung inneren Schauens gleichsam die Sinne verdoppelt. Dieses innere Schauen ist mit räumlichen (z.B. Paradiesvisionen) und leiblichen Vorstellungen ausgestattet, kann diese aber zugleich als eine bildhafte Vergegenwärtigung begreifen, die auch didaktischen Zwecken dient. Die drei Wege der Reinigung, Erleuchtung und Einigung werden so mit bildlichen Elementenausgestattet. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

Moderation: Nigel Palmer

15.00 René Wetzel: Die Engelberger Predigten stehen Johannes Tauler nahe. Sie benutzen u.a Gleichnisse der Natur (Sonnenablauf) für geistliche Vorgänge. Die Metaphern des Fließens und Zerfließens, des verborgenen Weins in der Traube, der Wüste und der Grundlosigkeit sind hier bereits als Routine fassbar. Entsprechungen zwischen Wort und Bild dienen als theologische Muster wechselseitiger Erhellung. Insofern ist klar erkennbar, dass mit der Nutzung von Eckhart Sprachmöglichkeiten und Sprachfiguren, wie sie offensichtlich zur spirituellen Routine wird, keineswegs die Originalität ihrer Funktion in ihrem Erstgebrauch bei Eckhart erreicht wird. So wird an diesen Textbeispielen und im Vergleich der Nutzung von solchen Sprachbildern deutlich, wie sehr sie sich von ihrer hochmetaphysischen Funktion einerseits lösen und andererseits durchsetzen konnten. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

Moderation: Freimut Löser

17.00 Ben Morgan: Die frommen Schwestern und Brüder nahmen die Texte in Gebrauch für sich selbst. Gebrauch verändert unter Umständen nicht nur die Funktion, sondern in den Abschriften den Wortlaut selbst. Ein Anliegen war dabei Texte lehrbarer und verwendbarer zu machen. Das Münchner Manuskript cgm 133 als Eckhart-Nachschrift diente dem Referenten dazu, Alternativen im Verständnis bei dem Verfertigen von Gebrauchs-Handschriften aufzuzeigen. Geht es z.B. um das persönliche oder um das wesenhaft-allgemein Verständnis des „Bildes aller Dinge“? Morgan stellt der Philologie die Aufgabe, vier Textproblem zu unterscheiden: erstens, die Grundtendenz der Kompilation; zweitens, Kopierfehler, drittens, Markierungsunterschiede, viertens, Hinzufügungen aus zweiter Hand. Fol 47v/ Pfeiffer 465 macht auf den persönlichen Gebrauch aufmerksam: ich bin Gott geworden. Ein Blick in Pfeiffers Textrezeption (Pfeiffer 518) zeigt, dass dieser Text (im Unterschied zum Codex Einsiedeln 277, fl. 215v) die Weiselosigkeit betont, während bei Pfeiffers Vorlage das Dunkel im dionysischen Sinne zugleich als Licht erscheint. Der Einsiedler Codex kann an der gleichen Stelle von „Natürlichkeit“ sprechen, wo der Münchner Codex von „Menschlichkeit“ spricht. Mit solchen Differenzen in den Sprachbildern ist mehr als bisher zu rechnen. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

17.45 Cora Dietl: Die Eckhart-Legenden speichern nicht nur ein Gedächtnis, sie entwerfen auch eine Figur, die in der Narration eine bestimmte Funktion erfüllt. Eckhart ist nicht bloß erinnert, er wird in bestimmten, aber unterschiedliche Hinsichten als Figur eingesetzt. Das zeigt seine Bedeutung, zugleich aber auch eine Freiheit im Umgang damit, die von seiner kolportierten Problemgeschichte beeinflusst sein kann. So wird Eckhart von einer Pfarrer-Figur, die pastoral-paternalistisch argumentiert, mit dem Problem konfrontiert, dass die Abstraktion seiner Gedanken nicht in die Vorstellungebene seiner Zuhörer übersetzt werden könne. Eckhart wird mit seiner Forderung erinnert, Bildwelten aufzugeben. Der abstrahierende Eckhart ist präsenter als der bildschaffende Eckhart. Auch in der Legende von der Frau an der Klosterpforte, die Eckhart durch ihre alle Eigenehit negierende Selbstbeschreibung mit seiner Entbildungslehre konfrontiert, kommt diese Stilisierung der Eckhartfigur zum Ausdruck. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]

Sonntag

Moderation: Dietmar Mieth

9.30 Thomas Daiber: Ähnlichkeiten zwischen Eckhart und Palamas (1296-1359) werden unter Hinweis auf eine gemeinsame Quelle, Ps. Dionys, ebenso bemerkt, wie offenkundige Unterschiede in ihrer Stellung und in der Haltung der jeweiligen Kirche zu ihnen. Palamas setzt sich in der orthodoxen Kirche weitgehend durch und wird zum anerkannten Bezug, zum „Palamismus“. Diskutiert wird die Bedeutung der Dionysius-Referenz bei beiden, ein Menschenalter auseinanderliegenden Autoren. Daiber sucht zunächst im „Gnostischen“ , d.h. in der Bemühung um religiöses Sonderwissen, eine Gemeinsamkeit. Dabei ist es Eckharts Eigenheit, dem „Wort“ besondere Bedeutung zu verleihen. Wenn man hier nach eine Folie fragt, gelangt man zunächst auch zu Dionys, zu Eckharts Zeitgenossen dem „Modisten“ Thomas von Erfurt, bei welchem sich auch „Klangetymologien“ finden, die Wort über den Laut miteinander verbinden. Die spekulative Grammatik der Modisten geht vom Bezeichnungswillen in der Sprache aus, nicht von der Sprache als Vorgabe selbst. Gott kann deshalb nach Eckhart nicht mit Eigenschaften (adjektivisch) bezeichnet werden, weil er die reine Substanz bezeichnet. Die für die Gottwerdung notwendige „Eigenschaftslosigkeit“ des Menschen wird hier begründet. Daiber spricht von einer „linguistischen Gotteskonzeption“ bei Eckhart, in der Gott nicht „kategorisierbar“ ist. Palamas überbrückt das Problem der Unerkennbarkeit Gottes, indem der Mensch in die Energie Gottes hineingenommen wird und an ihre deshalb partizipiert. Vielleicht ergeben sich aber, so die Diskussion hier mehr Möglichkeiten des Vergleichs, insofern Eckhart ja auch eine „Einheit mit Gott im Wirken“ vorschwebt. [vgl. Artikel im Meister-Eckhart-Jahrbuch 9]